Der Berliner Winter kommt zwei-, dreimal im Jahr und dauert ungefähr acht bis neun Monate. In der restlichen Zeit sitzen alle Berlinerinnen und Berliner zwanghaft draußen vor Cafès, trinken Latte Macchiato Third Wave Coffee ohne Milch und erzählen sich Schauermärchen aus vergangenen Wintertagen als die Stadt nach Kohleöfen roch und man statt Street Food noch Currywürste essen musste. Bei diesen Geschichten weiß man nie genau, ob sie 1952 oder 2007 spielen.
Die sibirische Außenstelle zwischen Spandau und Erkner ist im Winter wirklich nichts für schwache Gemüter. Es ist ein bisschen wie Game of Thrones, nur ohne Sex und mit rücksichtsloseren Menschen. Wer überleben will, braucht eine Strategie und da ich mittlerweile 236 Berliner Winter hinter mich gebracht habe, teile ich gerne meine besten Tipps.
- Nicht vor die Tür gehen
Zugegeben, das fällt Arbeitslosen und Freiberuflern leichter als Angestellten, aber nachdem der erste Schnee gefallen ist, nicht weggeräumt, sondern platt und glatt getreten wurde, bekommt man eine viermonatige Krankschreibung relativ leicht, indem man einfach doch kurz vor die Tür geht.
- Sich richtig anziehen
Wenn Nr. 1 nicht funktioniert, weil man Mammuts jagen Lebensmittel einkaufen gehen muss, greift Nr. 2 und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Das hat zur Folge, dass wir Berlinerinnen und Berliner zwar scheiße aussehen, aber immerhin erfrieren wir nicht. Jeden Februar werden zahlreiche Wohnungen gut gekleideter Engländer, Spanier, Italiener und US-Amerikaner frei, die es nicht geschafft haben. Nach vier Monaten im dunklen Berlin hat sich die Sehfähigkeit sowieso weitgehend zurückentwickelt und man orientiert sich größtenteils durch Echoortung. Dann stört sich auch keiner mehr an dem Daunenschlafsack, den man am besten ganztägig trägt.
- Alkohol trinken
Hahaha. Ok. Ja klar, machen wir eh. Aber jetzt halt noch mehr.
- Urlaub planen
Einer der meist gesagten Sätze im Februar lautet: „Nächstes Jahr bleiben wir aber nicht den Winter über hier, sondern fahren nach Asien.“. Das macht man nie, aber im darauffolgenden Dezember kann man sich zumindest noch ein wenig an seiner Scham über die eigene Inkonsequenz wärmen.
- Auf dem Boden liegen und so lange wimmern, bis der Frühling kommt
Meine Lieblingsstrategie. Klappt relativ zuverlässig.